2019-09 Schulradler

Bis sich alle Fünfer sicher fühlen
 
Heim(at)werker Schulradler begleiten die neuen Schüler ins Herrenberger Schulzentrum Markweg
 
von Thomas Morawitzky, Gäubote Herrenberg, 14.09.2019
 
betreuender Lehrer: Dominik Kirgis
 

Tim Turek ist einer der erwachsenen Schulradler, die dafür sorgen, dass die neuen Fünftklässler sicher
im Schulzentrum Markweg ankommen    GB-Foto: Holom
 

Ein neues Schuljahr hat begonnen. Die Schüler kommen zu Fuß ins Schulzentrum Markweg, werden von ihren Eltern gebracht oder sitzen auf dem Rad. Die Radler der fünften Klassen sind es, für die nun eine Gewöhnung an den täglichen Stadtverkehr beginnt. Die Schulradler helfen dabei: engagierte Schüler und Erwachsene, die Neulinge auf ihrem Weg begleiten. Peter Würffell gehört zu ihnen.

An ihren gelben Westen erkennt man sie. Diese Westen haben, fast vergessen, nicht nur eine politische, sondern vor allem eine rein praktische Signalwirkung: Sie leuchten auf der Straße, sie sorgen für Sichtbarkeit. Und wo Kraftfahrzeuge nicht langsam um die Ecke biegen, kann eine solche Eigenschaft Leben retten. Der letzte im Zug der Fahrräder, die am ersten Schultag von Kuppingen zum Herrenberger Markweg ziehen, ist Peter Würffell. Das Schlusslicht bildet er, weil dies die Position ist, von der aus sich das Radfahrverhalten der Schüler am besten beurteilen lässt. Würffell ist es, der den Schulanfängern nach ihrer ersten Fahrt ein Feedback gibt. Er hat sie nicht angeführt, er hat sie beobachtet, hat wahrgenommen, wo ihre Schwächen liegen. Ein Mädchen beispielsweise war an diesem Tag mit einem Fahrrad unterwegs, viel zu klein für das Kind, zu klein für die Gruppe und ausgestattet mit einer fehlerhaften Gangschaltung. „Ich möchte das Mädchen nicht demotivieren", sagt Würffell, „aber es ist wichtig, dass die Eltern ein Signal bekommen." Solche Signale an die Eltern der Schüler haben zumindest schon bewirkt, dass eine größere Zahl von ihnen nun über Körbe an ihren Fahrrädern verfügt, in denen sie ihre manchmal schweren Taschen abstellen können - damit ist Peter Würffell sehr zufrieden.

Die Schulradler am Markweg gibt es seit fünf Jahren; ins Leben gerufen wurden sie von Veronika Gerlach, damals Vorsitzende des Elternbeirats, und Lutz Rasemann, Lehrer und Verkehrsbeauftragter am Andreae-Gymnasium. Die Aufgabe der Radler besteht darin, die neuen Fünftklässler des Jahres an den Markwegschulen auf ihrem täglichen Radweg zu begleiten - „so lange, bis sie sich sicher fühlen", sagt Peter Würffell. Meist ist dieses Ziel innerhalb von zwei Wochen erreicht.

An jedem Schultag in diesen Wochen treffen sich die Radler, die Schüler und ihre Begleiter also, an einem bestimmten Punkt ihrer Gemeinde, zu einer bestimmten Uhrzeit. Sie besprechen sich kurz, dann startet der Radler-Trek zum Schulhaus. Für Peter Würffell bedeutet dies ein sehr frühes Aufstehen, lange vor 6 Uhr schon: „Schließlich möchte ich auch frühstücken", sagt er. „Auf nüchternen Magen geht das nicht "

Mehrere Erwachsene und zwei Schüler gehören zur Gruppe

Peter Würffell stieß vor drei Jahren zur Schulradlergruppe. Außer ihm gehören ihr im Augenblick Rainer Steinkamp aus Affstätt, Martina Gottschall und Werner Preiss aus der Herrenberger Kernstadt als Erwachsene an, zudem Hannah Koch und Tim Turek als Schüler, die schon von Beginn des Projekts an mit dabei sind, Tillman Sarnowski und Niklas Abt als Schüler aus Nufringen - eine im Grunde natürlich viel zu kleine Zahl ehrenamtlicher Radler.

Würffell ist Mitglied der Herrenberger Ortsgruppe des ADFC, des Allgemeinen Deutschen Fahrrad Clubs, dort Tourleiter und Kassier. Er wurde von Veronika Gerlach gebeten, sich bei den Schulradlern einzubringen, er tat dies bereitwillig und begeistert. „Ich finde es gut, wenn Kinder frühzeitig erfahren, dass Radfahren etwas Schönes ist", sagt er. „Es macht Spaß und sie kommen frisch zur Schule." Natürlich möchte Würffell die Schüler als Radler auch mit der Existenz des ADFC bekanntmachen, setzt sich im Böblinger Kreisverband des ADFC für das Herrenberger Projekt ein, beantragte Vereinsgelder, die den Schulradlern ein soziales Gruppentraining im Herrenberger Waldseilgarten und einen Erste-Hilfe-Kurs ermöglichten, der leider kaum besucht wurde.

Peter Würffell ist 67 Jahre alt: „Ich kann es selber kaum glauben", sagt er, „aber Radfahren hält ja auch fit." Er arbeitete als Ingenieur für einen bekannten Konzern, entwickelte Fahrwerke. „Dieses Thema", sagt er, „habe ich hinter mir gelassen. Ich habe immer davon geträumt, mich eines Tages, wenn ich dem Auto nicht mehr beruflich verbunden bin, mehr dem Fahrrad zu widmen."

„Ich fühle mich verpflichtet, zu helfen"

Der lange gehegte Traum ging in Erfüllung. Peter Würffell ist auch im Ruhestand noch, wie er sagt, „selbstbestimmt berufstätig", verfügt über ein Büro, in dem eins seiner Fahrräder steht. Ein Elektrorad besitzt er nicht. Er lebt im Herrenberger Ehbühl und fährt in diesen ersten Schultagen an jedem Morgen nach Kuppingen. „Ich fühle mich verpflichtet, zu helfen, weil ich gemerkt habe, wie notwendig das ist", sagt er. Von Jahr zu Jahr wechselt die Route, die er radelnd betreut - abhängig ist dies von den aktuellen Erfordernissen: „Wenn einem das wichtig ist", sagt er, „dann fährt man auch nach Kuppingen."

Im Jahr 2019 also ist es Peter Würffell, der die Schüler Kuppingens zum Markweg begleitet. Nicht umsonst, wie er schon am ersten Tag bemerkt hat: „Im Schießtäle sind die Schüler zum Teil wild durcheinander gefahren", erzählt er, „da kann auch Gegenverkehr kommen, dabei können gefährliche Situationen entstehen."

(Artikel erschienen am 14.09.2019 im Gäubote Herrenberg. Wir danken der Redaktion des Gäubote für die freundliche Genehmigung des Nachdrucks. Siehe auch www.gaeubote.de).

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