
Die Bläserklasse der Jerg-Ratgeb-Realschule umrahmt den Tag klangvoll, hier in der Markweghalle. GB-Foto: Vecsey.
Die Herrenberger Schüler haben Europaabgeordneten die Hände geschüttelt, dem französischen Generalkonsul aus Stuttgart im kleinen Kreis, fast bei Wohnzimmer-Atmosphäre, Fragen zu seinem Alltag gestellt und mit international erfolgreichen Unternehmern von Angesicht zu Angesicht über ihre Arbeit geplaudert. Und das sind längst nicht alle, die am Herrenberger Europatag in der Markweghalle und anschließend auch in den Klassenzimmern zu Besuch waren. Diesen Tag dürften die achten bis elften Klassen des Schulcampus so schnell nicht vergessen. Die Veranstaltung initiiert und die Gäste eingeladen haben auch in diesem Jahr wieder Meinhard Ober und Steffen Straube-Kögler von „Herrenberger Visionen", die erst kürzlich für ihr europäisches Engagement ausgezeichnet wurden (der „Gäubote" berichtete). Die Vorbereitungen für diesen Tag sind seit Februar gelaufen. Doch mit der Planung der Veranstaltung selbst hatten die Schulen immer noch eine Mammut-Aufgabe zu bewältigen. Andreae-Gymnasium, Jerg-Ratgeb-Realschule und Vogt-Heß-Gemeinschaftsschule haben damit bereits im Vorfeld den europäischen Gedanken gelebt, haben gezeigt, dass man gemeinsam stärker ist und wie Zusammenarbeiten funktioniert.
» Die Schüler dürfen den Gästen alle Fragen stellen, auch kritische»
Meinhard Ober
Das diesjährige Thema lautet „Friede, Freiheit, Sicherheit". Dem entsprechend waren Ober und Straube-Kögler gefordert, Protagonisten zu finden, die etwas mit diesen Themen auf europäischer Ebene zu tun haben. Mit dabei sind nicht nur Politiker und Unternehmer, sondern auch weniger naheliegende Institutionen. Zum Beispiel die Rettungshundestaffel mit ihren Vierbeinern, denn die Ehrenamtlichen sind unter der Flagge des DRK länderübergreifend im Einsatz unterwegs. Auch der Landesvorsitzende des Volksbundes Deutscher Kriegsgräberfürsorge ist eingeladen. In Gruppen von 20 Schülern dürfen Zehnt und Elftklässler sich je zwei Gäste vornehmen. „Wir wollen Europa nicht schönreden", sagt Meinhard Ober. „Die Schüler dürfen den Gästen alle Fragen stellen, auch Kritische. Und wir möchten vermitteln, dass Europa auch Spaß machen kann."
Den haben die Schüler nicht nur an der Fotobox im Foyer und an den Informationsständen, wo sie Ouiz-Fragen beantworten und ein Spiel namens Legislativity spielen können, in dem es um die EU-Gesetzgebung geht. Die Bläserklasse der Jerg-Ratgeb-Schule sorgt für eine klangvolle musikalische Begleitung des Tages. „Wir wollen Europa erfahrbar machen", betont Judith Bentele, Schulleiterin des Andreae-Gymnasiums. „Ihr seid mittendrin und jeder von euch ist ein wichtiger Teil des Europa von heute und morgen", appelliert sie an die versammelten mehr als 300 Schüler aller drei Schulen der Klassen acht bis elf.
„Die Welt verändert sich", knüpft Oberbürgermeister Nico Reith an. „Die Zeiten, in denen wir billiges russisches Gas beziehen konnten, als die Amerikaner noch für unsere Sicherheit bezahlt haben und wir in dem Maße Autos ins Ausland verkauft haben wie noch vor einigen Jahren, die sind vorbei." Umso wichtiger sei jetzt, dass Europa geschlossen auftrete. „Alleine können wir als Deutschland nicht mithalten." Europa halte er nach wie vor für das Beste und die Lösung vieler Probleme.
Mit Schildern ausgestattete Guides führen die Schülergruppen mitsamt ihren Gästen zu den entsprechenden Zimmern. Die Organisation funktioniert ausgezeichnet. Vorbereitung ist alles, das zeigt sich auch in den Klassenräumen. Und die Schüler haben sich vorbereitet. Sie wirken interessiert und stellen vielseitige Fragen. So erfahren sie zum Beispiel von dem FDP-Europaabgeordneten Andreas Glück, wie das Europaparlament aufgebaut ist, wo der Unterschied zwischen Delegationen und Fraktionen ist oder auch, welche Rolle Rat, Kommission und Parlament spielen. Von Gael de Maisonneuve wollen die Schüler wissen, was ein französischer Generalkonsul so den ganzen Tag macht. Sie erfahren, dass er viel mit dem Besuchen oder auch Organisieren von Veranstaltungen beschäftigt ist und Projekte zur Förderung deutsch-französischer Zusammenarbeit umsetzt. Besonders, wie viele Länder der Generalkonsul schon besucht hat, beeindruckt die Jugendlichen. „Wo wollen Sie einmal wohnen, wenn Sie in Rente sind?", fragt einer. „Das Zentrum meiner Familie ist in Paris, daher werde ich wohl dort den Ruhestand verbringen", verrät Gad de Maisonneuve. „Doch alle Länder, die ich bereist habe, sind interessant. Dort habe ich andere Kulturen erlebt, andere Politik, manchmal auch Konflikte und Krieg. Das war nicht immer angenehm. Aber interessant." Auch der Generalkonsul hat Fragen an die Schüler. Zum Beispiel, ob sie schon einen Schüleraustausch in Frankreich mitgemacht haben. Es gehen einige Hände nach oben. Die Jugendlichen erzählen von Besuchen in Tarare und von den anderen Sitten und Bräuchen in Frankreich.
Anschaulich wird es nicht nur bei Nora Straube-Kögler, die lebhaft von ihrem Erasmus-Auslandssemester in Nizza berichtet und den Schülern nahebringt, warum sich ein Auslandsaufenthalt immer lohnt und dass man am Ende Freunde auf der ganzen Welt hat, sondern auch bei der Rettungshundestaffel. Janina Scherr und ihre Kollegen haben Vierbeiner mitgebracht, die demonstrieren, wie sie Überlebende selbst unter Lawinen und Trümmerbergen finden. „Warum haben Rettungshundestaffeln immer Babypuder dabei?", fragt die Hundeführerin und blickt in ratlose Gesichter. „Der Puder weht mit dem Wind", denkt ein Schüler in die richtige Richtung. Denn auf diese Weise ermitteln die Hundeführer, von woher mögliche Fährten wehen können.
Am Ende des ungewöhnlichen Schultags blickt das Organisationsteam in lauter müde, aber zufriedene Gesichter. So soll es sein, betont Ober. „Die Schüler haben viel vorbereitet und waren ziemlich aufgeregt. Dieses Erlebnis wird ihnen in Erinnerung bleiben. Sie werden den Europagedanken sicherlich mit nach Hause nehmen."
(Artikel erschienen am 15.11.2025 im Gäubote Herrenberg. Wir danken der Redaktion des Gäubote für die freundliche Genehmigung des Nachdrucks. Siehe auch www.gaeubote.de).